Leben und leben lassen in der Dorfgaststätte
„So oder so, wir gehen zu O!“ – Genau wie jeder das O kennt in Schermbeck, genauso bekannt ist dieser Wahlspruch. Und klar ist: Um das O, also um einen Besuch in der Gaststätte Overkämping kommt in Schermbeck keiner herum. Egal ob alteingesessen, zugezogen oder zu Gast im Ort. Denn hier spielt sich das Dorfleben ab, hier treffen sich Vereine, Interessengruppen, Einzelkämpfer und Feiernde. Und das seit über Hundert Jahren.
Die Woche ist bewegt im O: Die verschiedenen Kegelclubs geben sich auf der Kegelbahn die Kugel in die Hand, andere stehen auf der Warteliste für begehrte Wochentage. Hochzeitsgesellschaften, Ratsfraktionen und Initiativen geben den angewärmten Stuhl gleich an den nächsten weiter und zwischendurch fährt der hauseigene Cateringservice die Reifen auf Schermbecker Gemeindegebiet heiß.
Ebenso lebendig ist die Geschichte der Dorfgaststätte mitten im Ortskern an der Mittelstraße. Vier Generationen von Frauen führten die Gastronomie seit 1906, die in den ersten 14 Jahren in der heutigen Schermbecker Mitte zu finden war. 1919 bezog Alwine Overkämping das jetzige Gebäude, das seitdem nur im Innern verändert und sanft dem Zeitenwandel angepasst wurde. Maria Overkämping führte das Haus in zweiter Generation nach dem frühen Tod ihres Mannes Hans weiter – mit sieben Kindern und einer Menge guter Ideen: Im Jahr 1966 richtete sie die erste Pommesbude ein und erregte mit ihrem Fensterverkauf eine Menge Aufsehen. Eine Erfolgsgeschichte bis heute. In dritter Generation übernahm Tochter Elisabeth die Führung schon mit 21 Jahren – als jüngste Wirtin Schermbecks. Sie heiratete wenig später den Gahlener Gastwirt Heinz Schult. Keine Frage, dass vor nun zwölf Jahren die gemeinsame Tochter Alexandra die Verantwortung in der Gaststätte Overkämping übernahm: „Freiwillig und bewusst“, sagt sie. Sie wuchs in den Privaträumen über der Gaststätte in ihren Beruf hinein. Sie übernahm das Sagen hinter der Theke aber nicht, ohne zunächst Erfahrungen fernab vom O und fernab von Schermbeck zu sammeln. Alexandra Schult lernte in Münster den Beruf der Hotelfachfrau und arbeitete anschließend im Freiburger FünfSterneSuperiorHotel Colombi. Der Weg führte sie von dort ins Hotel Landmark, eine der edelsten Adressen in London. Sie führte zunächst als Hausdame eine Etage des Luxus Hauses. Später wurde sie Privatbutler eines Scheichs im Hotel. Diese Zeit ist Quelle einer ganzen Reihe von spannenden Geschichten, für die bei der turbulenten Arbeit im O kaum je die Zeit reicht, um sie von A bis Z zu erzählen. Zumal Alexandra Schult oft als Köchin die Verantwortung für gelungene Feste im Haus trägt. Auf Wunsch wird feine Küche serviert, genauso gerne aber rustikal regional. Das Küchenhandwerk, von dem heute ihre Gäste in Schermbeck profitieren, lernte die 38Jährige in Herford und arbeitete anschließend in einem familiengeführten Hotel in Ludwigsburg. Stressfest und schwindelerprobt übt sie diesen Beruf spätestens seit ihrer Aufenthalte als Köchin auf der MS Europa aus – damals einzige Frau unter 50 Köchen an Bord des Kreuzfahrtschiffs. Beste Voraussetzungen, um nun ihre eigene Gaststätte zu führen, resolut, bodenständig und mit viel Humor.
Und vor allem mit einer engen Verbindung zum Heimatort: „Wir sind hier einer der Schmelzpunkte zwischen Schermbeck und Altschermbeck“, beschreibt sie den Standort mitten im Dorf. Aber ob nun das O heimlicher Grenzpunkt ist zwischen den Ortsteilen oder doch der RheinischWestfälische Hof, das ist umstritten. Und wird zur Nebensache, wenn Gäste aus Schermbeck und Altschermbeck gleichermaßen einkehren. Zum Beispiel die Königsblauen Schalker bei Auswärtsspielen des Vereins. Geguckt wird gemeinsam im O. Gefeiert auch, und gelitten. Oft geht es und ging es hoch her bei diesen Gelegenheiten. Das war schon zu Zeiten von Großmutter Maria so: „Bei meiner Oma lagen Berge mit Namen versehener Bierdeckeln hinter der Theke. Manchmal ist meine Oma einfach schlafen gegangenen, und die Stammgäste haben selbst weitergezapft.“ Bezahlt worden sei dann am ersten des Monats, lacht Alexandra Schult. „Und für Schermbeck hat Oma den Burger erfunden“, erzählt die Wirtin nach kurzem Nachdenken. Die Frikadelle zwischen Toastbrot mit Zwiebeln und Ketchup gibt es heute noch auf der Snackkarte: der MariaBurger. Ebenso legendär wie der Snack aus den 1960er Jahren ist das Döneken von den Ortskundigen, die durch die Kellerluke in die Küche einstiegen, lange nachdem die Oma ins Bett gegangenen war. Die Töpfe waren am nächsten Morgen deutlich leerer. So war das Kneipenleben im Dorf. Die Geschichten aus einem Jahrhundert Overkämping am Ort sind unerschöpflich. Hier landen Gäste mitten im Dorfleben. Auf einen Schwatz Schermbecker Geschichte.
Interview mit Alexandra Schult, Gaststätte Overkämping:
Was ist die Spezialität des Hauses?
Bei uns findet sich alles ganz bunt gemischt in der Wirtschaft. Durch alle Altersstufen und alle Schichten wird bei uns zusammen gefeiert. Hier landen Sie mitten im Dorfleben, und am Wochenende ist manchmal ganz schön viel Trubel.
Worauf könne sich die Gäste freuen?
Vor alle, auf die anderen Gäste, die auch auf Fremde zugehen. Besucher erfahren hier hautnah Schermbecker Geschichte. Es ist immer jemand hinter oder vor der Theke, der sich im Dorf auskennt und auch gerne mal die eine oder andere Geschichte erzählt. Hier wird Sport diskutiert genauso wie Politik. Wir bringen Sie hier auf den neuesten Stand, was Schermbeck angeht.
Was ist typisch Schermbeck am „O“?
Das Vereinsleben. Hier gibt es noch lebendige Vereine, die richtig was bewegen und zusammenhalten. Und die treffen sich hier bei uns, altersübergreifend. Jung und alt sitzen bei uns zusammen und feiern auch zusammen. Das stellen wir immer wieder fest. Das beste Beispiel ist das Schützenfest. Im Gesellschaftsraum sitzen die Älteren und in der Wirtschaft tanzen die Jüngeren auf Schlager. Dann geht die Jugend schon mal rüber und fragt: Meine Dame, haben Sie Lust zu tanzen? – Und dann wird getanzt. Wir sind hier nicht so starr wie in einem Restaurant. Es ist eine Dorfgaststätte im besten Sinne und da ist alles möglich. Was schätzen Sie an Schermbeck besonders? Das Dorfleben, das alles bietet, was man braucht. Aber auch die gute Lage, so dass man bei Bedarf doch mal schnell in den größeren Städten ist. Aber hier ist alles vorhanden. Und vor allem gibt es noch echten Zusammenhalt. Es ist ein Geben und Nehmen, wenn man sich umeinander kümmert anstatt aneinander vorbei zu leben.
Was kann man in der Nähe vom O besuchen?
Ganz nah bei liegt die katholische Kirche. Und direkt an unserer Gaststätte führen neben der Schermbecker Rundtour die beiden überregionalen Fahrradrouten entlang: die RömerRoute und die Niederrheinroute. Da kann man auch einschwenken.
Welchen Ausflug empfehlen Sie Besuchern?
Wir finden, dass das Kneipptretbecken in Gahlen einen Ausflug lohnt. Das ist sehr beliebt und bekannt. Für uns ist aber auch wichtig, Gästen immer mal wieder Tipps zu geben, was gerade in Schermbeck kulturell passiert. Wenn zum Beispiel die Chöre singen oder die Blaskapelle Einklang spielt dann machen wir unsere Gäste gerne darauf aufmerksam. Denn es ist viel los in Schermbeck. Und bei solchen Veranstaltungen erlebt man besonders gut die lebendige Dorfkultur.